Frau + Karbon = Randonneur(in) - aber nicht nur ...

V.R.V. – sich eine Nacht um die Ohren schlagen

V.R.V.??? = Verona Reschen Verona                                     italiano        strava

Das bedeutet wieder mal sich eine Nacht um die Ohren schlagen  – 600 Kilometer, aber nicht ganz so viele Höhenmeter wie bei der Allgäu-Rundfahrt zwei Woche zuvor, aber die knapp 3900, die mein Garmin 1030 am Ende anzeigt, haben es in sich. Wer mal von Glurns auf dem Radweg hoch zum Reschenpass gefahren ist, der weiß wovon ich schreibe.
An die 400 Starter, darunter einige wenige Starterinnen, machen sich im Morgengrauen karteauf nach Norden, einige mit großem Gepäck, andere ganz minimalistisch. Geschätzte 70% des vorgegebenen Tracks verläuft auf Radwegen. Acht Kontrollstellen müssen angefahren werden. Das Brevet verläuft in kompletter Autonomie. Im kleinen Startgeld ist dieses Jahr ein schönes orangefarbenes Radshirt inbegriffen. Da fast alle mit diesem an den Start kommen, ist hier gefühlt die Sonne schon aufgegangen.
Nach der etwas unruhigen Startphase in der alle versuchen eine der eigenen Geschwindigkeit konforme Gruppe zu finden, folK800_20180616_081225gt unser Weg zunächst dem Biffis-Kanal. Weiter dem Gardasee entlang. Die Gardesana Orientale ist am Samstag-Morgen noch relativ wenig befahren. Erster Kontroll-Stop beim Bicigrill Duchi’s in Loppio, der schon einen Berg an Brötchen und Brioches vorbereitet hat. Ich habe meine Gruppe verloren und muss mich neu sortieren. Auf dem  Etschtalradweg ist nun schon ordentlich was los. Ich muss mich am Riemen reißen, um meine neue Gruppe nicht zu verlieren, bzw. dass die mich nicht verliert. Ich hänge hinten dran. Das bedeutet für mich allerdings unfreiwilliges „Intervall-Training“:  Die Führung überholt ein Hindernis. Alle daran vorbei. Auch Gabi versucht es. Halt, Gegenverkehr. Muss abreißen lassen. Und weg sind die anderen, denn der erste beschleunigt sofort wieder. Es dauert Minuten schweißtreibende Arbeit, bis ich wieder hinten dran hänge. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die anderen einfach ziehen zu lassen. Aber ein Blick zuK800_20180616_094751rück … niemand in Sichtweite und im Windschatten fahren ist eigentlich doch kraftsparender und ein 28er Schnitt ist wohl auch nicht übel. Ich nehme mir vor, bis zur nächsten Kontrolle beim Bike Break in Faedo durchzubeißen. Ob das wohl gut geht, wenn man schon bei Kilometer 154 plattgefahren ist?
Von Faedo, Bicigrill Bike Break, der super netten Bikestation und dann wieder bis Faedo (auf dem Rückweg) werde ich 300km mutterseelenallein durch die Gegend tingeln. Und genieße es auch noch. Denn in der Gruppe fahren heißt ständig konzentriert zu sein. Auch kann ich mich da nicht gemütlich auf meinen Triathlonlenker lümmeln. Die Mittagshitze ist über uns hereingebrochen und es geht nicht eben um den Sigmundskron-Hügel herum, nein, rauf nach Eppan und dann die kostbaren Höhenmeter wieder verbraten auf der Abfahrt nach Bozen. Es wird immer heißer. Mein Tacho zeigt teils über 30 Grad an. In einer Eisdiele in Lana die rettende Erfrischung. Dann geht es über die Dörfer Tscherms und Marling. Heimatkunde live – da war ich nämlich noch nie. Leider ging die Strecke nicht direkt zur Töll, sondern die in der Hitze hart erkämpften Meter wurden in der Abfahrt nach Algund wieder vernichtet. Und dann schon wieder hoch – auf die besagte Töll, eine Steilstufe des Etschtals. Dann allerdings DIE Belohnung: Die nächsten 30 Kilometer sind gefühlt flach und ich habe Rückenwind. So schnell erreichte ich den Fischteich Brugg noch nie. Und hier gönne ich mir eine leckere Linzertorte, garniert mit … einer Prise Salz. Freiwillig. Denn kurz vorher hatte ansatzweise mein Oberschenkel-Quadrizeps gekrampft. Und dieser war dankbar für die Salz-Extraportion, ich sollte ihn erst wieder gegen Ende zu spüren bekommen. Mit aufgefüllten Speichern folgt nach einem kurzen Einrollen die gefürchtK800_20180616_191846ete letzte Etappe zur Halbzeit. Von Glurns zum Reschenpass. Aber zuvor noch ein kleiner Zwischenfall. Hitze. Ich fahre über eine kleine Holzbrücke. Es holpert und dann spüre ich eine Erfrischung an meinen Beinen. Upps! Habe ich wohl meine Trinkflasche nicht richtig verschlossen … aber nicht unangenehm bei diesen Temperaturen … Als die willkommene Dusche nicht aufhören will, schaue ich mal runter auf meine Beine: Gesprenkelt mit kleinen weißen Tröpfchen … Wachgerüttelt jagt mein Blick zum Vorderreifen. Fröhlich sprudelt eine kleine Fontäne bei jeder Radumdrehung. Nein, nicht schon wieder! Der Reifen war nagelneu. (Siehe Mailand-Genua-Mailand). Nach ein paar Minuten ist wieder Ruhe eingekehrt. Ich wage es stehen zu bleiben und nachzusehen, ob die Milch das Loch gedichtet hat. Passt! Und genug Luft ist auch noch drin. Hoffentlich komme ich so durch. Denn ein Reifenwechsel bzw. Schlauch einlegen wäre kein Spaß. Ich würde hundertpro den Reifen nicht mehr alleine in sein Felgenbett bekommen.
Aber nun weiter: Ab Glurns (sehr schönes mittelalterliches Städtchen mit einer Stadtmauer drumherum) immer wieder kurze sehr steile Rampen, mit den nicht mehr ganz frischen Beinen eine Qual. Auch mein Oberschenkel spielte zum Glück mit. Vor mir hat ein Radler sein Gefährt an der Hand. Mit entschuldigendem „ich habe hinten einen 25er“. Mit meinen Mountainbike-Schuhen könnte ich doch auch … Nein, Gabi, Schieben ist keine Option! Die Höhe ist irgendwann erreicht, es ist schön kühl geworden. Die letzten Kilometer gehen wunderschön am Haider See und am Reschensee entlang und dann gegen 19 Uhr bin ich am Ziel. Naja, Ziel … „Giro di boa“, sagen die Italiener, denn jetzt geht es das Ganze wieder zurück. Und jetzt fast nur noch abwärts. Rasante Abfahrt über Mals, Glurns und Prad. Immer wieder kommen mir gruppenweise Biker in oranger Montur entgegen. Hochgefühl und Mitleid zugleich: Die Armen müssen da noch rauf und „Juhu!“ – ich bin auf dem Rückweg. Und beim Fischteich wartet noch ein leckerer Teller Makkaroni mit Cocktail-Tomaten und viiiiel Knoblauch. Schnell noch die Scheinwerfer ans Rad montiert. Elena G. fragt, ob ich mit ihrer Gruppe mitfahren möchte. Ich verneine höflich. Ich genieße es in die Dunkelheit hinein zu fahren. Kein Mensch weit und breit. Und welche Überraschung: Der Wind hat gedreht und ich brause mit Rückenwind zurück. Wieder über die Dörfer nach Lana. Krach! Plötzliche Dunkelheit. Was ist das? Ich hatte einige Schlaglöcher übersehen in der Dunkelheit, da ich meine Lampe auf die sparsamste Ausleuchtung gestellt hatte.  Ein Blick zurück: Auf der Straße leuchtet was. Meine Lampe! Die Halterung hatte ich wohl auch etwas schlampig verriegelt. Zum Glück leuchtete sie noch … Kurz darauf hatte der zweite Scheinwerfer weniger Glück … Crash und kaputt. Hätte ich nur eine Lampe gehabt, wäre hier Enbicigrilldstation gewesen.
Bei Bozen darf ich wieder rauf nach Eppan treten und dann folgt ein Abschnitt, den ich als „Einzelfahrerin“ etwas gefährlich empfand. Die berühmte Weinstraße. Ziemlich einige Autofahrer in Partylaune oder danach waren unterwegs und ich hoffte, dass mich niemand übersieht …
Ich erreichte heil den Bikestop Faedo und ließ mich hinreißen, zu probieren, ob die bereitgestellten Sonnen-Liegen auch nachts bequem sind. Schlaf? Fehlanzeige. Die neuesten Fußballergebnisse schallten über Lautsprecher unK800_20180617_070810d als das Radio endlich ausgeschaltet wird, bereiten sich Radfahrer neben mit laut beratend für die Weiterfahrt vor. So auch ich. Bis Rovereto komme ich, dann werden meine Augen immer kleiner. Ich suche mir eine Parkbank. Aber auch nach 10 Minuten will der Schlaf nicht kommen, es ist unangenehm feucht-kalt. Zwei Biker radeln vorbei und so sortiere ich mich auch wieder. Es dämmert langsam. Ich schließe auf Flavio und Manuel auf. Alleine zu fahren habe ich auch nicht mehr so richtig Lust. Mit Quatschen geht die Zeit schneller rum. Und gemeinsames Leid ist geteiltes Leid, sagt man doch so. Rasch kommen wir weiter. Und ein spektakulärer Abschnitt steht noch an. Die Etsch schlängelt sich durch hohe Felswände. Und dann ist Verona nicht mehr weit. Und ein Schild weist nach Sant Ambrogio. Aber Fehlanzeige, wir müssen noch eine knapp 30 km lange Schleife fahren. Und diese fühlt sich äußerst hart an. Es geht durch stärker befahrene Vororte Veronas, teils über Schotterwege, die vom Belag einem Schweizer Käse ähneln. Unsere Geduld wird auf eine harte Probe gestellt. Zudem geht es ständig hoch und runter, es wird wieder heiß. Die Kilometer wollen einfach nicht schwinden. Dann ein letzter Anstieg und wir sind da!!!! Giorgio und Simonetta begrüßen uns herzlich. Wir können duschen, es gibt zu essen und eine angenehme Massage winkt. Was will man mehr?

Von Sant Ambrogio vor den Toren Veronas an den Reschensee und zurück, keine Sekunde Schlaf, da ist man bei der Ankunft ganz schön platt und ich haderte mit mir selbst … Wie wird wohl die Alpi4000 Ende Juli mit 1400 km und ganzen 22000 Höhenmetern? Der letzte Pass das Stilfser-Joch … Werde ich da auf allen Vieren hoch müssen. Unvorstellbar das durchzuziehen! Und die MGM im August bei Affenhitze? Ist das zu überleben? Aber heute, Montag, schaut die Welt schon wieder ganz anders aus …
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4 Kommentare

  1. Stephan - German ProTriathlete

    Ich weiß garnicht, was mich mehr fasziniert! Die immer tollen Berichte oder diese unglaubliche Leistungen, die du/ihr immer ablieferst! 🙂 Respekt, es macht wirklich sehr viel Spaß deine Post zu lesen!
    Alles Gute weiterhin,
    Stephan

  2. Spirito Randagio

    Sei davvero Super!

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