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August 2025, eigentlich standen ein paar Tage vor Abflug alle Ampeln auf Rot:
„Gabi fahr nicht nach Kirgistan!“. Ein Harnwegsinfekt, ein Stolpern über die Treppe mit einer starken Oberschenkelmuskel-Prellung oder vielleicht auch ein leichter Muskelfaser-Riss. In Kirgistan bei der viertägigen Akklimatisierungsfahrt befiel mich ein Infekt mit Fieber und Husten.

Alle Beschwerden schienen sich kurz vor dem Start gebessert zu haben. Trotz der Option im Kopf im Notfall zurück nach Osh zu fahren, falls eine Verschlechterung eintreten sollte, ging ich mit gemischten Gefühlen an den Start.

Denn das, was vor Hermann und mir lag, war nicht zu unterschätzen: Fast 2000 Kilometer mit nahezu 30.000 Höhenmeter durch Kirgistan, mit Start in Osh bis zum Zielort Karakol. Mitunter Hunderte Kilometer einsamster, schwer erreichbarer Gegenden, hohe Pässe (knapp über 4000m NN), mehrere Tage auf Höhen zwischen 3000 und 4000m NN, eiskalte Nächte, viele Schiebe- und Tragestrecken, unzählige Flussdurchquerungen, wenig Verpflegungsmöglichkeiten – das ist das Silk Road Mountain Race, dessen Veranstalter Nelson für seine Events den Anspruch erhebt, zu den anspruchsvollsten zu gehören. Beim Atlas Mountain Race (2023) bekamen wir einen „Vorgeschmack“.
Die hohe Ausfallquote spricht Bände. Dieses Jahr kam etwas mehr als die Hälfte der 235 Starter*innen ins Ziel: nämlich 131 gegenüber 104, die irgendwann früher oder später „gescratched“ haben, also aus dem Rennen ausstiegen. Ich spreche von Rennen, sehe es aber eher als Abenteuer, bei dem man ohne Hilfe von außen (unsupported) eine vorgegebene Strecke absolvieren soll, natürlich gegen die laufende Zeit. Es gibt nichts zu gewinnen außer der Ehre, es geschafft zu haben …

Etwas „Sicherheit“ vermittelt die Tatsache, dass jeder einen GPS-Tracker mithaben muss. Auf der Plattform dotwatcher.cc kann die „Welt“ digital miterleben, wo ihre „Dots/ Punkte“ gerade sind und auf welchem Rang in der Reihenfolge sie fahren oder ob sie von der Schnecke eingeholt oder überholt werden, die virtuell mitfährt und das Zeitlimit markiert.

Im Notfall drückt man „einfach“ auf SOS und Hilfe wird losgeschickt. Dass das mit der Hilfe nicht so „einfach“ ist, durften wir am eigenen Leib erfahren, das „Rennen“ endete für uns nämlich mit Drama. Bleibt dran!
Zuerst mussten wir aber mal ankommen … Ein Abenteuer für sich …
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Nacht & Tag 1
zunächst das Video: Nacht & Tag 1
Freitagnacht/ Samstag: Osh – Daroot Kargon
216,63 km/ 3.990 m

Nach den letzten Worten, die uns Nelson beim Briefing mit auf den Weg gab, geht es mit großem Polizeiaufgebot los. Hermann und ich mittendrin. Wir haben uns bei der Anmeldung dazu entschlossen als Team zu starten. Mit allen Vor- und Nachteilen. Das bedeutet wir müssen die Strecke gemeinsam beenden, sonst steht auf der Finisher-Liste DNF, die Abkürzung für Did Not Finish und bedeutet im Sport „nicht beendet“.
Unsere Motivation (bei mir nach Anlaufschwierigkeiten und einigen Bedenken) ist groß und die Aufregung legt sich nach einigen Kilometern im Strom der fast 250 Teilnehmer*innen, der sich durch Bishkek und dessen Außenbezirken ergießt, unter Jubel und Applaus der Zuschauer. Dann zieht sich das Feld etwas auseinander. Es geht überland und immer wieder durch kleinere Siedlungen. High-Five hier und da, die Kinder und Jugendlichen schließen wohl untereinander Wetten ab, wer mehr Abschläge bekommt. Plötzlich zielt ein Halbwüchsiger mit einer Farbspraydose auf mich … Zum Glück kommt der erwartete Farbsprühregen nicht, ich werde mich aber Tage später daran erinnern.

Asphalt geht über in Schotter und unwillkürlich werden wir immer wieder eingenebelt vom Staub der vorbeifahrenden Autos. Es wird immer einsamer und hügeliger. Die Sonne verschwindet hinter orangeroten Wolken und dann kommt die Dämmerung. Auf der am Horizont weit vor uns verschwindenden Straße rotblinkende Lichter der anderen weiter vorne. Mystische Stimmung.
Dann Dunkelheit. Im Wissen, dass es den ganzen nächsten Tag keine Möglichkeit der Verpflegung gibt, sehne ich einen Shop herbei, auch um meine mich langsam einholende Schläfrigkeit mit Cola zu bekämpfen. Wir haben doch vor, die erste Nacht durchzufahren. Das Wasser geht mir auch langsam aus. Ob um diese Zeit, es geht ja schon auf Mitternacht zu, noch was offen ist? Und da, am nächsten Ortsanfang ein hell beleuchtetes Gebäude.

Ein großes buntes Plakat an der Fassade, магазин (Magazin) weist darauf hin, dass es hier einen Laden gibt. Die unzähligen am Boden liegenden bepackten Fahrräder sind auch ein untrügliches Zeichen dafür. Und der Raum ist nahezu leergekauft, naja, so ist das eben, wenn man sich so ziemlich am Ende des Feldes befindet. Aber Wasser gibt es noch und Cola.

Sorgen hätten wir uns da aber keine machen müssen, denn bis weit nach Mitternacht waren alle Läden auf den nächsten Kilometern geöffnet. Wir kehren noch zweimal ein. Einmal kaufen wir Brot, Käse und Kekse und stocken so unsere Vorräte auf. Statt des kleinen Münzwechselgeldes bekomme ich eine kleine verpackte weiße Kugel. Dann folgt eine lange Abfahrt auf Teer, ich habe Zeit zu rechnen und komme auf das Ergebnis, dass ich zu wenig Wasser habe. Ein einsamer kleiner Shop einer netten kleinen Familie nimmt uns auf, bewirtet uns mit Granatapfelsaft und Wasser. Ungläubig hören sie zu, was wir noch vorhaben. Die Bezahlung müssen wir fast aufdrängen.
Nun geht es endgültig ins Gelände. Entlang eines schmalen Baches folgen wir einer staubigen Piste. Irgendwann ahne ich, dass das Tälchen begrenzt wird von Berghängen, sehen kann ich es nicht genau. Erst als der fast volle Mond hinter Felswänden aufgeht. Die Straße wird immer holpriger, am Rand große Steine, Häuser gab es schon lange keine mehr. Langsam sollte ich wieder mal was essen. Wie wäre es mit etwas Süßkram? Ich wickle die weiße Kugel aus, ah, wohl weiße Schokolade. Lecker! Ich beiße hinein. Argggghhhh, was ist denn das? Schmeckt nach einem sehr sehr reifen Käse. Mein Gaumen reagiert beleidigt und entledigt sich schleunigst des fremden Dings. Was wohl ein Sakrileg ist …
Meine Recherche ergibt: Kurut – das kirgisische Raffaello!
Klassisches Kurut wird in Form kleiner weißer Kugeln hergestellt. Es besteht aus getrocknetem Quark und Salz. Kurut ist das Lieblingsessen vieler Kirgisen. Sowohl der Erwachsenen als auch der Kinder. Das traditionelle Gericht wird das ganze Jahr über verzehrt und ist in ganz Kirgistan zu bekommen.
Kurut ist eng verbunden mit den nomadischen Wurzeln der Kirgisen. Als Nomaden hatten Kirgisen Kühe. Aus deren Milch produzierten sie Quark, um sie haltbar zu machen. Doch wenn es zu heiß war, konnte auch Quark nicht lange aufbewahrt werden. Daher hat man ihn gesalzen und getrocknet. Und so wurde Kurut erfunden. Aufgrund des Salzgehalts kann man es jahrelang lagern. Dass der Geschmack recht deftig ist und gewöhnungsbedürftig für europäische Gaumen, versteht sich.
106 Kilometer habe ich auf dem Tacho. Ein paar Minuten später immer noch gleich viel, auch bei den Höhenmetern ändert sich nichts. Die Karte auf dem GPS ist auch immer gleich. Was ist das denn? Mein Gerät, ich liebe es eigentlich, es ist benutzerfreundlich, bietet mir praktische Funktionen, reagiert normalerweise zuverlässig. Aber gerade … Ich lade die Strecke neu, schalte das Gerät aus, nichts! Irgendwann lasse ich das Gerät einfach aus. Ich fahre also ohne und hoffe Hermann fährt mir nicht davon. Im Dunkeln ohne die Strecke, oje! Immer wieder frage ich ihn wo wir genau sind, wie das Höhenprofil vor uns ist . Blöd, nicht zu wissen, was vor einem liegt, vor allem nicht im Dunkeln, meine Motivation schwindet.

Nach 125 Kilometern, es ist schon nach 2 Uhr am Morgen, überfällt uns doch beide die Müdigkeit und wir beschließen, wie andere entlang der Strecke, uns auch für einen Powernap oder etwas länger (?) einen geeigneten Schlafplatz zu suchen.
Trotz hellen Mondlichts ist ein solcher aufgrund der Geländebeschaffenheit nicht so schnell ausgemacht, aber dann wird das Tal weiter und wir können einen ebenen Platz neben einem großen Felsblock in Beschlag nehmen, der zum Radanlehnen, als Ablage und später als Frühstückstisch dient.

Zelt? Wir begnügen uns mit Matte und Schlafsack. Traumhaft mit Blick auf den grandiosen Sternenhimmel, auf die Milchstraße genau über uns, einzuschlafen.
Viel zu schnell vibriert der Uhr-Alarm. Genau genommen hatten wir ja einen tierischen Wecker. Ein Esel in unserer Nähe begrüßte lauthals den ersten Vorbeifahrenden. Rasch muss heißes Wasser her für einen der Kaffeebeutel (Luxus für die erste Nacht) und unser Jentschura Morgenstund-Frühstück. Gestärkt geht es weiter. Gestärkt? Ja, noch fühle ich mich gut, Hermann logo ohne Frage.
Der Eingang des Surmatash Nationalparks ist bald erreicht kurz nach der abenteuerlichen Überquerung des Flusses auf einer Brücke, dessen Bauweise stark abweicht von unseren Brücken, sie verbindet nämlich das eine, viel höher gelegene Ufer mit dem tieferen und ist dementsprechend sehr steil. Im Naturreservat soll es sogar noch Berglöwen geben. Allerdings sollten diese im Sommer durch das reichlichere Nahrungsangebot wenig Gelüste auf vorbeifahrende Bikepacker haben.

Am Eingang des Parks finden wir sogar Wasser. Schnell kramen wir Filter und Reinigungstabletten heraus. Wo aber soll ich die zusätzlichen 2 Liter des kostbaren Nass‘ unterbringen? Ich lege den Wasserbeutel mal auf meinen Lenker. Ob die Befestigung wohl hält? Wer weiß, wann wir das nächste Mal Wasser finden, der Fluss, an dem wir entlang radeln ist hier undurchsichtig braun durch das mitgeführte Material.
Am Morgen gebe ich meinem GPS-Gerät eine neue Chance. Ich schalte es ein. Leider hat sich nichts geändert, Navigation, Kartenansicht, alles ist blockiert. Ich entschließe mich zu einem Reset. Wie ging das nochmal? Kein Internet und so kann ich auch nicht Dr. Google um Hilfe fragen oder die KI. Ich erinnere mich, dass ich Gosia auf ihrer Australiendurchquerung mal geholfen hatte, ihr Gerät wieder in Gang zu bekommen, ich schaue im WhatsApp-Chat nach. Bingo! „Schalten Sie das Gerät aus, halten Sie die beiden Tasten an der Unterseite des Gerätes (LAP und START/STOP) gedrückt. Schalten Sie das Gerät ein (Einschalttaste nur kurz drücken und wieder loslassen). Ok, mache ich!

Ergebnis: Alle geladenen Strecken sind weg, alle mühsam über Wochen erstellten POIs ebenso. Ohne Internet kann ich die Strecken nicht wieder auf das Gerät bekommen, fahre also ohne. Zum Glück gibt es nicht viele Abzweigungen hier am Ende der Welt auf dem Weg zum Koy-Djul-Pass und dem Shiman-Bell-Pass. Und die Karte habe ich ja wieder, aber so ins „Blaue hinein fahren“ ist wenig motivierend, ich habe keine Ahnung, was vor mir liegt, wo die Steigungen sind, wie steil, wie lang … Wie abhängig man von der Elektronik auch beim Radfahren inzwischen ist. Immer wieder frage ich Hermann um Infos, nerve ihn so den ganzen Tag. Bei den Abfahrten später vermisse ich die Bildschirmansicht mit der Strecke sehr, um die Kurvenführung zu sehen.
Mit dem Reset habe ich nun auch meine gewohnte Seiteneinteilung nicht mehr. Ärgerlich! Und besonders eine Funktion waren dazu gekommen, die ich nicht in der Lage bin auszuschalten: Sobald ich schieben muss und somit sehr langsam bin, wird Auto-Pause aktiviert. Das heißt das Gerät glaubt ich stehe und zählt keinen Kilometer und keinen Höhenmeter mehr. Und das passiert heute sehr sehr oft. Die Strecke heute und die der nächsten Tage kann ich so nicht auf Strava laden, wie schaute das denn aus, wenn mehrere Kilometer und vor allem sehr viele Höhenmeter fehlen? Also bin ich wohl auch abhängig von den Socials … oder geltungssüchtig??? Nö, ich will die Strecken nur auswerten anschließend (Ausrede… *lach*).
Die über hundertsiebzig Kilometer Anstieg von Osh bis zum ersten Pass sollten laut Planung mit überschaubaren durchschnittlichen Steigungsprozenten zu überwinden sein. Aber nichts da. Es folgen immer wieder kleine Abfahrten und dann um so steilere Anstiege.

Auch wird das Tal immer enger, begrenzt durch schroffe Felswände. Da der Weg nicht viele Möglichkeiten hat, sind mehrere Steilstufen zu bewältigen. Also immer wieder raus aus dem Sattel und runter vom Rad. Die angedrohten 5 Kilometer hike a bike werde ich wohl dann schon voll haben, bevor die eigentliche Schiebestrecke beginnt. Auch der erste Bach will gequert werden. Ich fahre durch und meine Füße werden durch den eiskalten Schwall das erste Mal nass.

Das Tal weitet sich. Eine wunderschöne Art Almlandschaft erwartet uns. Und vor der mit Bangen erwarteten Steilstufe machen wir eine kurze Vor-Mittagspause im Schatten eines Baumes, den es hier auf über 2500m noch gibt. Menü der Wahl: Brot (Kirgisisches Brot – sehr lecker!) und eine Dose Sardinen in Tomatensauce. Ins Wasser schütte ich nun eine Packung Styrkr Elektrolyt Pulver. Weiter geht es. Die Hitze staut sich im Tal. Ich habe großen Durst. Immer wieder bleibe ich stehen, um zu trinken.
Dadurch komme ich irgendwie total aus dem Rhythmus. In immer kürzeren Abständen kommt der Wunsch zu einer Trinkpause (Ausrede). Auf jeden Fall verbinde ich Anstrengung und Geschmack des Getränks miteinander und ab diesem Tag kann ich den bittersalzigen Geschmack von Styrkr nicht mehr ertragen. Ich schleppe einige Briefchen noch einige Tage mit, verschenke sie dann. Wie wünsche ich mir banalen Apfelsaft herbei, am besten vermischt mit Kanne Brottrunk, es gibt nichts Besseres. (Elektrolytpulver ist nicht das einzige, das ich überflüssigerweise mitschleppe, wie ihr wisst, ich hamstere gern, um in Notzeiten was zu haben. So wandern Gummibärchen, Äpfel, Nüsse und vieles mehr über einen Gebirgs-Pass zum nächsten).

Die Schiebestrecke liegt in der prallen Sonne, Bäume gibt es hier direkt am Weg kaum mehr. Es ist sehr mühsam, das schwere Rad nach oben zu wuchten. Ich vermute, meines wiegt um die 25 Kilogramm. Zumindest legen sich nur wenige Hindernisse in den Weg. In steilen Serpentinen windet sich der Weg nach oben. Autos können hier nicht mehr fahren. Weiter oben wird es wieder fahrbar. Aber trotzdem für mich immer wieder zu steil. Aus den „angedrohten“ fünft Schiebekilometern sind bestimmt schon das Doppelte geworden.

Und hoch zur vorletzten Anstrengung auf den Koy-Djul-Pass gibt es zwar eine breite Schotterstraße, aber ich bin etwas schlapp nach den Hitze-Schiebe-Kilometern und muss auch da hochschieben. Vielleicht macht auch die Höhe was aus. Immerhin sind wir hier auf 3800m über NN. Mein wohl noch nicht ganz überwundener Infekt macht sich auch bemerkbar. Aber das bisschen Husten stört mich nicht so.
Die Straße schlängelt sich über endlose Serpentinen nach oben. Ich schleiche wohl dahin. Aber andere tun es auch … Mir tut es leid, dass Hermann oben so lange auf mich warten muss. Und wie bin ich froh, als er mir auf den letzten paar Hundert Metern entgegenkommt und mir das Rad abnimmt. Er ist mit Schieben schneller als ich ohne Rad, fast komme ich ihm nicht nach.

Nun folgt eine wunderbare Abfahrt. Hohe Berge in den unterschiedlichsten Farben liegen vor uns. Ich vergesse, dass noch ein kleiner Anstieg vor uns liegt, der entpuppt sich aber als harmlos und bald stehen wir auch auf dem zweiten Pass, dem Shiman-Bell-Pass. Und jetzt nur noch Abfahrt, bis zur Schlafpause. Juhu!

Und es gibt so viel zu sehen. Traumhaft. Nach vielen Kilometern über Schotter, teilweise mit Vorsicht zu befahren, da sich feste und bodenlose Schotterschichten abwechseln, passieren wir einige Hütten und Jurten. Dann rollen wir ein enges Tal entlang. Kühe auf dem Heimweg, begleitet von (friedlichen) Hunden zeigen uns, dass die nächste Siedlung wohl nicht mehr weit sein kann.

Wie üblich auch hier Kinder am Weg, die uns mit High-Five begrüßen möchten. Zwei Buben vor mir. Aber was …? Ich kann ihre Handbewegung erst nicht deuten, aber dann spüre ich was Nasses an Hals, Oberkörper und Beinen. Ich schaue an mir herunter, ich bin voll von Lehm, dieselbe Farbe, mit der die Häuser hier getüncht sind, an mir, an meinem Rad, an den Taschen. Ich lege eine Vollbremsung, lehne mein Rad an eine Wand und blicke zurück. Na wartet! Natürlich, niemand mehr da. Die beiden haben sich schleunigst verdrückt. Ich renne zurück. Nichts. Unverrichteter Dinge gehe ich zurück. Vorbei an einer daher trottenden schwarzen Kuh, die mich mit großen Augen anguckt. Ich versuche den Dreck notdürftig abzuwischen.
Etwas weiter sitzt Dmitrii (?) mit einer großen Wassermelone. Mitleidig bietet er mir ein Stück an, auch Hermann kommt zurück und fragt, was mir denn passiert ist. Ich glaube, ich habe noch nie so etwas Leckeres gegessen.
Nicht mehr weit und wir sind in Doroot Korgon.
Davor aber noch ein unerwarteter Kraftakt: Die letzten fünf flachen Kilometer haben wir Gegenwind, besser gesagt Gegen-„Sturm“. Ich komme kaum weiter, sobald ich aus Hermanns Windschatten „falle“.
Im Ort wollen wir ein Hotel oder ein Guesthouse suchen. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Zuerst füllen wir noch unsere Vorräte und Wasser auf, dann fahren wir Unterkunft-Suchen. Ohne Erfolg. Das Hotel auf Google Maps ist geschlossen, Leute, die wir unterwegs fragen, schicken uns von da nach dort, sagen uns die Namen eines Guesthouses, es gäbe ein Hinweisschild. Fündig werden wir nicht, Schilder sind in Kyrillischer Schrift, das kann ich meist nur ansatzweise bis gar nicht entziffern. Ratlos stehen wir da.

Ein anderer Radfahrer kommt auf uns zu. Er habe von Vadim einen Tipp bekommen von einem Hostel in der Nähe, das extra für uns aufmachen würde. Super! Wir sind die ersten, die eine freundliche ältere Frau einlässt. Wir suchen noch ein Restaurant, sind aber zu spät dran. Als wir zurück kommen, ist der Gang im Parterre voll mit Rädern. Wir kochen zwei der Tactical Foodpacks, unserer gefriergetrockneten Menüs. So müssen wir sie zumindest in den nächsten Tagen nicht schleppen. Eine Dusche und ein feines weiches Bett tut gut nach der (fast) durchfahrenen letzten Nacht und den kräfteraubenden Schiebekilometern heute.
Ich fühle mich gut. Fieber habe ich vermutlich keines mehr, meine Stimme klingt etwas wund, ich huste aber nur selten. Zurück muss ich also wohl nicht, wie auch, diese zwei Pässe zurück, nein danke!
Vorsprung auf die Schnecke haben wir auch … Am nächsten Morgen wird sie erst auf dem Pass vom Vortag sein und etwa 70 Teilnehmer sind auch noch hinter uns.
Und jetzt kann ich auch die Strecken wieder auf mein GPS-Gerät hochladen und bin wieder unabhängig. Ich denke, wenn ich alleine gewesen wäre, wäre das wohl ein Grund gewesen zu scratchen. Ich habe zwar eine zweite Möglichkeit des Navigierens auf dem Smartphone, aber das braucht viel Energie und die habe ich auch nicht unbegrenzt. Mein Nabendynamo arbeitet nicht so toll, wenn ich schiebe *lach*.
Weiter geht es mit Tag 2 (siehe Tabelle oben!)





























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